Bürgerbeauftragte stellt vierten Tätigkeitsbericht vor

Tätigkeitsbericht 2022/2023

 

Donnerstag, 13. Juni 2024
Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni, hat heute (Donnerstag) den vierten Tätigkeitsbericht als Ombudsperson der Kinder- und Jugendhilfe vorgestellt. „Im Berichtszeitraum 2022 und 2023 waren insgesamt 761 Petitionen durch die Beschwerdestelle zu bearbeiten. Das sind 184 Eingaben mehr als im vorherigen Berichtszeitraum“, sagte El Samadoni. Gründe für diesen Anstieg sieht die Bürgerbeauftragte in der besseren Bekanntheit der Beschwerdestelle sowie dem zunehmenden Bedürfnis an Unterstützung und Beratung im Bereich der stationären Hilfen.

Seit Einrichtung der Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche im Jahr 2016 wurden bis Ende 2023 damit 2.369 Petitionen bearbeitet. Im aktuellen Berichtszeitraum 2022/2023 lag der thematische Schwerpunkt mit 438 Eingaben erneut bei den Hilfen zur Erziehung, wobei ein Großteil (323 Fälle) Probleme und Fragen aus dem Bereich der stationären Maßnahmen, also der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Wohngruppen, zum Gegenstand hatte. Im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum (225 Fälle) gab es hier einen deutlichen Zuwachs von fast 100 Eingaben. In weiteren 115 Fällen ging es im aktuellen Berichtszeitraum um ambulante Erziehungshilfen.


Positiv bewertet die Bürgerbeauftragte, dass sich im Berichtszeitraum mehr Kinder und Jugendliche als in den Vorjahren direkt an die Beschwerdestelle wandten. So stieg die Zahl um 30 auf 127 Eingaben an. Von diesen 127 Kindern und Jugendlichen waren 97 selbst in Wohngruppen oder Heimeinrichtungen untergebracht. „Ziel ist es weiterhin, dass mehr Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen Kenntnis von der Beschwerdestelle als unabhängige, erreichbare Ansprechpartnerin haben“, so El Samadoni. Die jüngste Anruferin, die die Beschwerdestelle kontaktierte, war in diesem Berichtszeitraum ein zehnjähriges Mädchen, das verschiedene Regelungen ihrer Wohngruppe als zu streng empfand. 

Bei 15 Beschwerden, die insgesamt 14 verschiedene stationäre Einrichtungen betrafen, wurde die Einrichtungsaufsicht eingeschaltet. Diese Beschwerden betrafen etwa das Verhalten von Erzieher*innen. So ging es beispielsweise um körperliche Übergriffe oder im Einzelfall fragwürdige pädagogische Maßnahmen, wie Handyverbote nach unerlaubtem Entfernen aus der Einrichtung oder auch Schminkverbote bei Schulabstinenz. Gegenstand weiterer Beschwerden waren mangelnde medizinische Versorgung oder Vernachlässigung der Kinder und Jugendlichen in Einrichtungen. Ferner ging es in einem Fall um Mängel des Brandschutzes in einer Einrichtung, bei der es zu einem Brand mit mehreren Verletzten gekommen war. Diese Einrichtung wurde dann von der Einrichtungsaufsicht geschlossen. In diesem Zusammenhang betonte El Samadoni die gute und vertrauensvolle Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Landesjugendamt und der Einrichtungsaufsicht.

„Eine wesentliche Erkenntnis, die ich in diesem Berichtszeitrum gewinnen konnte, ist, dass es für Kinder und Jugendliche mit besonders intensivem pädagogischen Betreuungsbedarf im Land Schleswig-Holstein an entsprechenden Strukturen fehlt. Da die Anzahl der Kinder mit intensivem Unterstützungsbedarf stetig steigt, sehe ich das Land in der Pflicht, zeitnah dafür zu sorgen, dass diese stationären Strukturen aufgebaut werden“, so El Samadoni. Diese intensivpädagogischen Plätze werden sowohl für Kinder und Jugendliche benötigt, die stationär untergebracht sind, aber aufgrund ihrer Schwierigkeiten und Erkrankung immer wieder in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt werden müssen, als auch für Kinder und Jugendliche, die als „nicht mehr betreubar“ gelten. Sie haben in der Vergangenheit unterschiedliche Jugendhilfeeinrichtungen bewohnt, diese Jugendhilfemaßnahmen wurden jedoch wegen des Verhaltens der Jugendlichen immer wieder abgebrochen. In einem Fall brachte ein Jugendamt – mangels Angeboten – einen Minderjährigen in einer Obdachlosenunterkunft für Erwachsene unter. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Unterbringung eines Jugendlichen in einer solchen Einrichtung aus Sicht der beteiligten Personen ernsthaft als adäquate Maßnahme angesehen wurde. Es ist dringend notwendig, dass Kinder und Jugendliche in das System der Hilfen zurückgeführt werden können“, führte die Bürgerbeauftragte aus. „Dafür werden besondere, niederschwellige Angebote benötigt, die zumindest einen sicheren Schlafplatz bieten und über kontinuierliche pädagogische Arbeit wieder Vertrauen herstellen.“


Eine weitere Anregung der Bürgerbeauftragten betrifft die Erhöhung von Essensgeld für Jugendliche, die sich in Einrichtungen selber mit Lebensmitteln versorgen. „Es ist notwendig, dass die Beträge für das Essensgeld dynamisch an die Inflation angepasst werden. Ich wünsche mir, dass sich das Land für eine entsprechende bundesgesetzliche Regelung einsetzt“, berichtete El Samadoni.


Auch in diesem Bericht macht El Samadoni erneut auf ein weiterhin ungelöstes Problem aufmerksam: „Nach wie vor gilt in Schleswig-Holstein keine Schulpflicht für Kinder und Jugendliche, die von Jugendämtern aus anderen Bundesländern in Einrichtungen in Schleswig-Holstein untergebracht werden. Nur durch eine Schulpflicht für alle Kinder in Schleswig-Holstein ist eine Gleichbehandlung sichergestellt, die gewährleistet, dass der Staat in Form der Schulaufsicht darüber wacht, dass alle Kinder beschult werden, die in die Schule gehen können. Diese Entscheidung darf nicht bei Trägern der stationären Einrichtungen liegen.“

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